Transit BRD (Teil 3)

Mampe-Stuben am Ku'damm, das war nun wirklich nicht der Ort am dem sich Spione trafen und schon gar keine Kneipe für einen langhaarigen Studenten. Düster, vom Rauch geschwängerte Luft und nur angesoffne Touris. Hier wartete ich auf meinen Onkel Hermann. Der grauhaarige Mittfünfziger in seinem zerknittern Trenchcoat konnte mich kaum verfehlen. Und hier belauschte uns garantiert niemand. Onkel, nein also Hermann überbrachte nur Nachrichten. Er war sozusagen der lebende Briefkasten. "Du sollst zum Alexanderplatz kommen, zur Weltzeituhr da wirst du abgeholt. Nimm den Übergang Friedrichstrasse. Und kein Wort zu deinen Köpenicker Verwandten. Wenn dich dort jemand sieht bist du mit einer Dozentin von der Humboldt-Universität verabredet, klar?" Es roch kräftig nach Abenteuer.

Die Nachmittagssonne wärmte schon. Neun zeigte die Weltzeituhr, jedenfalls für Quito und Los Angles. Da ich ein wenig zu früh da war, das ist so meine Art, amüsierte ich mich am Treiben auf dem Alex. Lustig, man konnte die Touris und die Einheimischen prima unterscheiden. Am Dederon-Beutel. Der gelernte Ostdeutsche, äh Bürger der DDR - ich sollte meinen Sprachgebrauch anpassen - hatte immer eine Tasche dabei, die meisten einen Dederon-Beutel. Nylon-Tasche hätte man bei uns gesagt, aber Nylon war ja vom Klassenfeind. Der ständige Mangel an Waren trieb so seine Blüten. Da man nie wußte wann und wo es etwas zu kaufen geben würde, war die Tasche Pflicht. Vielleicht gab es plötzlich irgendwo Bananen oder Schrauben. Konnte man ja nicht ahnen.

Deli! hätte meine Cousine jetzt gesagt. Was abgeleitet von delikat, das Pendant zum westdeutschen "Super" war. Echt Deli, diese Rothaarige. Und das in der Sonne im Gegenlicht. Sie mußte Touri sein, denn sie hatte keinen Beutel. Ich glotzte einfach in ihre Richtung, sie kam direkt auf mich zu. "Habm 'se ma Feua?" Ja, na klar und nicht nur im Feuerzeug. "Wahn 'se schon ma im Perjanmon-Museum?" blinzelte sie mich an. Och, diese süße berlinern. Hej, das war das Code-Wort, sie war meine Verabredung. "Nein noch nicht, aber ich würde es gerne mal sehen." Das war mein Code und nun waren wir sicher, den richtigen getroffen zu haben. "Na, denn komm'se ma mit, Herr Correll. Redn tun wa nich hiea. Ick bin übrijens Sabrina." So machte ich mich mit der roten Schönheit auf den Weg. Über ihrem grünen Sommerkleidchen hing locker ein leichter Mantel. Hätte alles von C&A oder Neckermann aus dem Westen sein können. Nur ihre wirklich schönen schlanken langen Beine steckten in Strumpfhosen die fürchterlich nach Ostproduktion aussahen. Ihre blauen Augen leuchteten bei jedem Blick. Ich war hin und weg von Genossin Sabrina.  "Steich ein. Wir müssn erst wat erledijen." Ach, ja ich war ja nicht wegen der blauen Augen gekommen.

Mein erstes Mal... mein erstes Mal Trabant fahren war es. Wir rumpelten über die Friedrichstrasse. Dann wurden die Häuser immer heruntergekommener. Der Putz bröckelte überall, das war das ungeschinkte Ostberlin, ähh... die Hauptstadt. Sabrina hielt vor einer Mocca-Bar in der Brunnenstraße. Die Tassen klirrten jedesmal wenn die West-U-Bahn unter dem Haus durchratterte. Die leichten Sommersprossen und ihre Grübchen machten es mir schwer dem Gespräch zu folgen. Zumal sie langweiligerweise meine politischen Einstellungen abklopfte. Jetzt bewährte es sich, dass ich damals Unterschriften gegen den Rausschmiss unseres Deutschlehrers gesammelt hatte. Der sollte gehen, nur weil er Kommunist war. Das machte mich offenbar vertrauenswürdiger. Die ganze Zeit machte sie Notizen und kämpfte mit ihren Haaren, die ihr ständig ins Gesicht fielen. Schließlich steckte sie die Strähne hinters Ohr. "Süße Ohrstecker." "Zeit füa Komplimente is noch nich, mußte dir uffheben."  Das Noch machte mir Hoffnung. Sie kramte in Ihrer Handtasche, ich war schneller und bot ihr 'ne Malboro an. Den ersten tiefen Zug genoss sie sichtlich. "Echt, Deli, ey! Nich wie unsere f6. Aba ditt darf ick janich sagn, haste nich jehört." "Hatten sie was gesagt?" "Man jetzte hör ma uff mit dett je-Sie-tze. Ick bin Sabrina. Wie sieht denn ditt nu aus, kannste unjestört Dokumente fotokopieren im Betrieb?" "Ich bin immer der letzte in der Firma, fahr die Post zum Amt, stelle den Wagen wieder ab und hole meine Sachen aus der Postzentrale. Das dauert ein wenig. Sollte also nicht auffallen wenn ich noch was kopiere. Falls der Pförtner fragt, dann war noch ein eiliges Fax reingekommen." "Ditt hört sich jut an. Und bei euch looft allet über'n Tisch? Ditt jebe ditt bei uns nich." Das war's, für heute. Nächste Woche sollte ich wiederkommen.