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Es werden Posts vom Juli, 2018 angezeigt.

Käthe

Das Klopfen an der Tür erlöste den kleinen Wolfgang von der Standpauke. "Herein!" rief Lehrer Reinsch noch etwas unbeherrscht. "Ah, sie kommen wegen des Verkehrsunterrichts!" strahlte der Mathe-Pauker die stämmige Polizistin an. "Diese kleinen Lümmel haben sowieso kein Interesse an Zahlen." Die Frau in der Uniform der britischen Polizei Berlins blickte ihn fest und bestimmt an, schloß leise die Tür. "Herr Reinsch?" Der Lehrer antwortete mit einem nicken. "Ich komme in einer anderen Sache!" Langsam ging sie auf den vom Krieg ausgemergenteln Lehrer zu bis sie direkt vor ihm stand. "Sie! Sie fassen meine Tochter nicht noch einmal an!" Ihre rechte Hand packte ihn schon am Kragen. "Wer, wer sind sind?" stotterte er eingeschüchtert. "Otten, Käthe Otten! Juttas Mutter!" sagte sie leise und griff noch ein bisschen fester zu. "Aber es war zu recht!" verteigte sich der in seinem Lehrerstolz gekränkte. Dies

Wenn Worte töten...

"Kill, warf in den Müll, alles, auch den Krill. Machte dabei Scherze, versenkte die Bienenwachskerze, beendete dann die Qual, und schrieb mit Wörtern ihrer Wahl" Immer wieder las Lucy die Verse. Blöde Strafarbeit und noch schwachsinnigeres Gedicht. Eine Interpretation. Na, toll! Boah, dieser Deutschlehrer. Erst wochenlang Kafka, dann diese völlig unverständlichen Philosophen und jetzt... jetzt mußte er völlig ausgetickt sein. So einen Schrott verstand doch keiner. In der Paralell-Klasse hatten sie wenigstens die Leiden des jungen Werther gelesen. Und nun flimmerte Bildschirm weiß und leer vor ihr. Aber war es nicht egal. Die Note für dieses Jahr war sowieso versaut. Ihre Bemerkungen wie "Kafka war Hirn verbrannt" oder "Wer zum Leben nichts taugt wird Philosoph" ... oder eben Lehrer, grinste Lucy in sich hinein. Die Qual beenden mit Worten ihrer Wahl. Vielleicht wäre das ja eine gute Idee. Plötzlich begannen ihre Finger nur so über Tastatur zu fliege

Transit BRD (Teil 6 + Schluß)

Das tat sie. Denn in den nächsten Tagen war die Grenze für Westberliner dicht.  Die wenigen Telefonleitungen nach Ostberlin waren chronisch überlastet. Keine Nachricht von Sabrina. In meiner Wohnung richtete sich Martina ein und wälzte Kataloge. „Och, guck mal die Wiege mit dem rosa Deckchen müssen wir haben.“ Mir war alles andere als nach Deckchen. Genervt schaltete ich den Fernseher ein. Die Tagesschau lief. „Die machen die Mauer auf. Schatz, die Mauer ist auf!“ „Mmh, ja, sollte lieber die oder die Schwangerschaftshose bestellen?“ Jetzt erwachte der Reporter in mir. „Such dir eine aus, ich gehe jetzt Geschichte knipsen.“ Bewaffnet mit meiner Yashica und den ORWO-Filmen düste ich zum Übergang Sonnenallee. Gegen Morgen war das Chaos so groß, dass ich ungehindert in den Osten kam. Mit der Taxe ging es direkt zur Charitee, wohin auch sonst? „Nein, eine Frau Toussaint haben wir hier nicht!“ Aber sie haben sie operiert. „Nein, da täuschen sie sich. Aber wir sind in diesen Tagen alle etwas