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Es werden Posts vom Juni, 2018 angezeigt.

Transit BRD (Teil 5)

Das kalte grelle Licht tauchte alles in eine unwirkliche Stimmmung am kurzen Ende der Sonnenallee kurz vor Mitternacht.  Doch nicht für uns zwei. Wir sahen nichts und spürten nur einander engumschlungen und küssend als könne uns nicht auf der Welt mehr trennen. „Isch möschte jo nisch unhöflich sein, aber falls jemand von ihnen noch nach Westberlin muß. Mior schließen den Übergang in fünf Minud'n!“ Die Realität hatte uns wieder. „Montag bin ich wieder da, morgen muß ich nach Duisburg, da ist so eine Vorlesung...“ „Nu' mach' hinne, sonst iss zu und dit jibt wirklich Ärjer!“ Ja, ich liebte Martina noch immer. Fortan gehörten die Wochenenden ihr. Unter der Woche war ich ja meist in Ostberlin. Ich trieb ein doppeltes doppeltes Spiel und war richtig gut darin. Dann, der Sommer neigte sich dem Ende zu, verschwand Martina in ihrem Kloster ... äh, auf dieser Bibelschule. Den Unterschied habe ich nie so ganz verstanden. Besuchszeit alle vier Wochen. Also mehr Zeit für Sabrina. Es wur

Transit BRD (Teil 4)

"Haste ma Feua?" grinste es mich von der Seite an. Sabrina hatte sich angeschlichen während ich die Auslagen im Carl-Zeiss-Laden am Alex bewunderte. "Wenn de schön fleißg bist kannste dia hiea wat aussuch'n." "Ich war schon fleißig!"  "Komm wir jehn ins Reisebüro." Verreisen? Kuba oder Sowjetunion? "Quatsch nich so'n Unsinn, komm mit!" Das gelbe kurze Kleid mit den großen Schulterpolstern raschelte beim laufen, die knallroten Pumps klackerten melodisch. Ihr leichtes Make up unterstrich diese klassischen Berliner Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen. Wie kam so jemand nur zur HA II? Also Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung 2 Aufklärung? Im 'Haus des Reisens' ging unsere Tour direkt zum Fahrstuhl. Die Tür schloß sich klappernd. Hier mit ihr stecken bleiben wäre mir nicht unangenehm gewesen. "Man, ditt sind ja Schaltpläne" platze es beim Bilck in mein Kuvert aus ihr heraus. Ich grinste stolz. Den

Transit BRD (Teil 3)

Mampe-Stuben am Ku'damm, das war nun wirklich nicht der Ort am dem sich Spione trafen und schon gar keine Kneipe für einen langhaarigen Studenten. Düster, vom Rauch geschwängerte Luft und nur angesoffne Touris. Hier wartete ich auf meinen Onkel Hermann. Der grauhaarige Mittfünfziger in seinem zerknittern Trenchcoat konnte mich kaum verfehlen. Und hier belauschte uns garantiert niemand. Onkel, nein also Hermann überbrachte nur Nachrichten. Er war sozusagen der lebende Briefkasten. "Du sollst zum Alexanderplatz kommen, zur Weltzeituhr da wirst du abgeholt. Nimm den Übergang Friedrichstrasse. Und kein Wort zu deinen Köpenicker Verwandten. Wenn dich dort jemand sieht bist du mit einer Dozentin von der Humboldt-Universität verabredet, klar?" Es roch kräftig nach Abenteuer. Die Nachmittagssonne wärmte schon. Neun zeigte die Weltzeituhr, jedenfalls für Quito und Los Angles. Da ich ein wenig zu früh da war, das ist so meine Art, amüsierte ich mich am Treiben auf dem Alex. Lusti

Transit BRD (Teil 2)

Der Kaffee in der Mitropa-Raststätte schmeckte widerlich, aber ich mußte ihn wenigstens nicht bezahlen. Walter, so stellte sich Typ nun vor, kam nicht gleich zur Sache. Wir plauderten über Fotografie, stellten fest dass wir den gleichen tschechischen Vergößerer benutzen - was anderes war auch nicht für mich bezahlbar. Langsam verlagerte sich das Gespräch in Richtung Politik. "Glauben sie eigentlich das die Produktion von Waffen dem Frieden dient? Und das dazu noch in einer entmilitarisierten Zone?" Daher wehte der Wind. Klar wußte ich, dass elektronische Bauteile für Bundeswehrpanzer im Westteil Berlins gefertigt wurden, sehr zum Ärger der DDR. "Nun sehen sie, Herr Correll, wir möchten nur wissen wie viele dieser Teile die Stadt verlassen. Und da sie doch in der Postzentrale der AGE in Westberlin arbeiten..." Der Versand lief tatsächlich über unsere Abteilung, denn die Pakete nahmen den Luftweg, unerreichbar für den Osten. "Wenn sie dann zu ihrer Freundin fahr

Transit BRD (Teil 1)

plommplomm plommplomm plommplomm plomm plommplomm plommplomm plommplomm Der gleichmäßige Rythmus der Reifen auf den Betonplatten der Autobahn war einschläfernd. Das Tempo mit "nur" 100 auch. Dunkel wie im Sack, selbst im Fernlicht blieb es schwarz vor mir. Der Regen prasselte. Nur die im Scheinwerferlicht gelb und blau leuchtenden Schilder boten einigermassen Orientierung. "Transit Westberlin-BRD" Dieses hier mit dem Zusatz "letzte Ausfahrt für DDR-Kfz." Wie mußte sich das anfühlen hier nicht in den Westen fahren zu können, sondern gezwungenermassen die Autobahn an dieser Stelle zu verlassen. Na ja, auf die Grenze zu zufahren fühlte sich heute auch nicht besser an. Ich hatte mich eigentlich an die Geschwindigkeit gehalten, schmuggelte auch keine DDR-Bürger ausser Landes, hatte nur am Intershop kurz gehalten und mich mit einer Stange Malboro versorgt. Dieser Typ der mich dort mit meinem Namen ansprach ging mir nicht aus dem Kopf. Ich kannte ihn nicht. Aber

Lucy

Leise nieselte der Regen auf das Kopfsteinpflaster unter der Feuerleiter. Im Schein einer Laterne stand die kleine Lucy. Nur in ihrem Nachthemd, zitternd vor dem Schacht in der Mitte der Strasse. Sie war klatschnass und das Wasser tropfte von ihrer Nase. Die ganze Zeit schon starrte sie auf den Deckel, aber der bewegte sich nicht. Jetzt schlug die Kirchturmuhr. Erst vier-, dann zwölfmal. Lucy riß die Augen auf, doch der Gullideckel rühte sich nicht. Enttäuschung mischte  sich in ihren Bilck. Plötzlich blendete sie ein Autoscheinwerfer, kam direkt auf Lucy zu. Instinktiv drückte sie ihre Puppe fester in den Arm. Der Wagen hielt, die Silouette eines großen kräftigen Mannes konnte sie erkennen. So einen von der Art vor der Mutti immer gewarnt hatte. Sie versuchte ihm in die Augen zu sehen, doch das Licht blendete zu sehr. "Suchst du auch den Werwolf?" fragte Lucy unvermittelt "Der ist nicht hier." antwortete eine tiefe raue Stimme. "Aber ich suche kleine Mädchen d

Langeweile

Das Meer schimmerte türkis, der Himmel blau. Jeden Tag das gleiche, dachte Maurice. Er hätte vor Wut kotzen können. Strand, Meer, blauer Himmel, Strand, Meer, blauer Himmel, Strand, Meer, blauer Himmel. So muß Urlaub sein, einfach daliegen und geniessen. Von wegen! Strand, Meer, blauer Himmel... nicht mal eine alte Socke wurde an dieser scheiß Insel angespült. Pure Langeweile. Gleich würde Rita wieder zum essen rufen, alles selbst gepflückt aus dem was die Natur hi er bot. Seit drei Wochen Früchte und Gemüse, die er nicht kannte und die ihm nicht schmeckten. Widerlich, alles roh und kein Fleisch. Maurice hätte die Katze... aber nein, so war er nicht. "Was guckst du denn wieder so griesgrämig?" Rita fuhr ihm zärtlich durch die Haare. Eigentlich wußte sie es ja und erwartete auch keine Antwort. Irgendwann ging auch dieser Tag wieder schweigend zu Ende. Boah, der Kohleeimer wog gewaltig wenn er so voll war. Aber dieses mal war der Weg vom Keller in den vierten Stock ganz lei

Barfuß im Schnee

Weich wie Watte war es anfangs, doch jetzt spürte sie Ihre Füße schon lange nicht mehr. Der Kimono wehte im eisigen Wind, ihr Gesicht fühlte sich so taubgefroren an wie die Plastikmaske die sie trug. "Das Schwert ein bisschen höher, Blick direkt in die Kamera, sehr gut, aber nicht so zittern bitte." Immer die gleichen Anweisungen von Oliver dem angeblichen Starfotografen. Seit gefühlten Stunden ging das so. Die Frage nach einer kurzen Pause, einer warmen Jacke und dicken Stiefeln war jedesmal barsch zurück gewiesen worden. "Gut wir machen jetzt den Gegenschuß, bleibt da stehen Rebekka. Nein, noch keine Pause. Kamera eins hinter das Modell und auf den Oliver. Kamera zwei Oli im Profil. Wir machen Drehfertig!" Dieser Regieseur kannte ebenfalls kein Erbarmen. Rebekka schlotterte und offenbar gefiel es ihnen sie zu quälen. Die anderen waren doch viel schneller fertig. "Nicht so zittern, das brauchen wir jetzt nicht. Und bitte." Wieder ging alles von vorne los

Studentenjob

"Links!" brüllte Willi. Es war die Erfahrung eines Mannes der immer das gleiche tat, die aus ihm sprach. "Unleserlich, Links!" Ich hatte es immer noch nicht raus. "Scheiß, Studenten! Macht nur Scheiße!" blubberte Willi vor sich hin und sah mich dabei nicht mal an. Mit seiner weißen Gummischürze, die voller alter Blutspritzer war, dem Häubchen auf dem Kopf und dem Sabber in seinem zu langen Schnäuzer, sah der Dicke eher aus wie eine Witzfigur. "Schneller, Doktor!"  schrie er mich wieder an. Professor konnte Willi bestimmt nicht aussprechen, schon wegen seiner Zahnlücken. Ihn hassten alle in der Halle. Und weiter ging es, wie bei Aschenputtel. Das eingeschweißte Fleisch flog auf dem Band nur so vorbei. Da sahen alle Datumsstempel verwischt aus, egal ob der Druck sauber war oder nicht. "Man die Riesenluftblase sieht doch ein Blinder!" Hatte ich aber nicht, war zu sehr beschäftigt mit den Stempeln. "Rechts, Blase rechts!" So ging

Jörg-Andreas

Eigentlich tat er mir leid wie er da so lag. Zusammen gekauert vor dem Kühlschrank. Dieses Finanzbeamtchen. Seine unschuldigen blauen Augen blickten mich an. Ich strich mit meiner Hand darüber und schloss sie. Nur das Blut auf seinem grün-weiß gestreiftem Pullunder störte die Harmonie jetzt noch. Langsam zog ich das Messer aus seiner Brust. Ich hatte genau ins Herz getroffen. Leider nicht beim ersten Mal. Aber dieses zusätzliche Leid hatte er verdient. Tja, Jörg- Andreas so hast du dir dein Ende nicht vorgestellt. Statt Pension und Reihenhäuschen gibt es nun eine Blechbüchse mit Deckel für dich. Später zumindest. Das Messer hielt ich kurz unter Wasserhahn und steckte es dann zurück in die Geschirrspülmaschine. Das knacken des Kamins erinnerte mich daran noch ein wenig Holz nachzulegen. Nun wurde es Zeit Jörg-Andreas einzupacken.Zwei blaue Säcke, einer über die Beine bis zur Hüfte, der andere über den Kopf. Mein Gott der stellte sich aber an oder war er plötzlich doppelt so schwer? Bäh,

Die Marketing-Tante

Irgendwo in Norddeutschland. Eine der vielen kleinen Firmen die wirklich einmaliges leisten und produzieren. Bekannt in Fachkreisen, für das große Publikum eher verborgen. Ich bin mit dem Chef-Ingenieur verabredet. Der Pförtner kennt mich schon, grüßt kurz und greift zum Hörer. "Herr Moser, ihr Besuch ist da!" Zu mir gewandt "Er kommt gleich!" Den Weg hätte ich auch selbst gefunden, aber Journalisten mistraut man. Von zwei vorangehenden Besuchen kenne ich bereits die Kunststoffe, alle waren Neuentwicklungen, die Fakten für meine Reportage hatte ich zusammen. Jetzt fehlte das Leben, die persönliche Note, das Herz des Entwicklungsingieurs oder einfach der O-Ton. Meine Redaktion wollte wieder die große Nummer, alles nur nicht trocken. Schön lebendig und mit viel "Personality!"und den Kopf dahinter zeigen.  Der Mann steht im Dauer-Stress, strahlt trotzdem erstaunlich viel Ruhe aus. Dr. Dr. Dipl.-Ing. Frank-Rudolf Moser. Nicht ganz so trocken wie sein Name. Und

Der Heiratsantrag

Die Tür des Landhauses fiel langsam und leise ins Schloß. Der Fensterputzer hatte seine Arbeit getan, glaubte er zumindest. Die alte Lady Burlington, sie mochte an die 85 sein, blickte mürrisch auf die Streifen an den Fenstern des Wohnzimmers. Früher war das Personal besser, als sie noch eigenes Personal hatte. Aber heute? Die wissen doch heute nicht mehr was Arbeit ist. In der Küche das gleiche schreckliche Bild. Schlieren überall. Die hereinscheinende Sonne malte lustige Muster auf die frischen Karotten. Lady Burlington fand das nicht lustig. Langsam und Stufe für Stufe erklomm sie die Treppe zum Dachboden. Die Fenster hat er sicher wieder vergessen, wie jedesmal. Die wurmstichige Tür war nur angelehnt, ein Lichtstrahl fiel durch den Spalt. Doch bevor die alte Dame die Tür öffnete hielt sie inne. Sang da nicht jemand? "isch bin grün mit ßtil, den isch bin ein Krokodil..." lispelte es aus dem Spalt. Vorsichtig riskierte Lady Burlington einen Blick. Ein Stoffkrokodil stand mi

Weltuntergang

Wie jeden Morgen ging Andreas die Straße den Berg hinunter. Dem Panorama oder besser der Skyline von Quito schenkte er keinen Blick. Es war kühl geworden, die Regenzeit kündigte sich mit schweren Wolken an. Er nahm sein Halstuch, hielt es sich vor Mund und Nase, der Gestank der Busse an der Avenida America war unerträglich. Auf die Ampel achtete er schon lange nicht mehr, die Autos auf der achtspurigen Ausfallstrasse auch nicht. Lebend erreichte Andreas die ande re Straßenseite, grüßte die beiden Quitchuas, die ihre Souveniers zum Verkauf aufbauten. Dem Pförtner hielt er seine ID entgegen, schlenderte über den Hof vorbei an den Palmen und dem Grab. Begraben war hier niemand. Die Gärtner hatten einen kleinen Hügel aufgeschüttet um die Initialen des Senders mit Blumen zu pflanzen. Seitdem witzelten alle, die Gründer seien hier... na, ja die letzte Stufe zur Redaktion nahm Andreas mit einem großen Schritt und stand vor verschlossener Tür. Einfach zu, keiner da. Das war ihm neu. Wenigstens

Earl Grey

Entnervt schmiss Ruben das Fenster wieder zu. Widerlich dieser Gestank. Irgend so ein Riesenköter hatte ihm genau vor's Fenster im Sousterrain geschissen. Earl Grey-Tee, Pfefferminz-Schokolade und Hundescheiße standen nun als Duftwolke in dem feuchten Zimmer. Aber es passte zu diesem grauen regnerischen Tag. Erst die Post vom Jobcenter, dann der Konto-Auszug bei der Bank und jetzt wurde ihm auch noch seine Teestunde, die letzte kleine Freude vermiest. Immer wieder starrte Ruben auf den Brief vor sich. „...müssen wir ihnen mitteilen, dass die Zahlungen mit sofortiger Wirkung eingestellt werden.“ Also nochmal, zum wievielten male wusste er nicht mehr, die Hotline anrufen. Immer die gleiche freundliche Stimme „Willkommen in ihrem SGB II – Service-Center, der nächste freie Platz ist bereits für sie reseviert … düdeldüdelalala … wir sind gleich für sie da … düdeldüdelalala … tut-tut-tut...“ Irgendwann mußte da doch jemand abnehmen, aber stattdessen wieder aus der Leitung geflogen. Das l

Morgengrauen

Es war ein dumpfer Knall mit dem sich an diesem kühlen und klaren Morgen das Grauen ankündigte, während die kleine fünfziger Jahre Siedlung noch friedlich schlief. Tom wußte genau was jetzt zu tun war. Langsam schlüpfte er aus dem Bett. Doch von Eile keine Spur, die war auch nicht mehr geboten. Die ersten Sonnenstrahlen begrüßten ihn wie zum Spot in der Küche. Erst einen Kaffee, dann würde er sich dem da draussen widmen. Es war sowieso noch viel zu früh.Doch waru m zögern? Also schlurfte er zurück ins Schlafzimmer und griff beherzt zu. Das Metall in seiner Hand war kalt, es schauderte ihn kurz, dann zog er den Hebel ganz durch. Sanft und ohne eine Geräusch schloß sich das Fenster, seine Hand drückte nun den Hebel nach unten, die Riegel rasteten ein. Endlich, bei geschlossenem Fenster drang der nervige Laubbläser des Gärtners fast nicht mehr an seine Ohren.