Transit BRD (Teil 2)

Der Kaffee in der Mitropa-Raststätte schmeckte widerlich, aber ich mußte ihn wenigstens nicht bezahlen. Walter, so stellte sich Typ nun vor, kam nicht gleich zur Sache. Wir plauderten über Fotografie, stellten fest dass wir den gleichen tschechischen Vergößerer benutzen - was anderes war auch nicht für mich bezahlbar. Langsam verlagerte sich das Gespräch in Richtung Politik. "Glauben sie eigentlich das die Produktion von Waffen dem Frieden dient? Und das dazu noch in einer entmilitarisierten Zone?" Daher wehte der Wind. Klar wußte ich, dass elektronische Bauteile für Bundeswehrpanzer im Westteil Berlins gefertigt wurden, sehr zum Ärger der DDR. "Nun sehen sie, Herr Correll, wir möchten nur wissen wie viele dieser Teile die Stadt verlassen. Und da sie doch in der Postzentrale der AGE in Westberlin arbeiten..." Der Versand lief tatsächlich über unsere Abteilung, denn die Pakete nahmen den Luftweg, unerreichbar für den Osten. "Wenn sie dann zu ihrer Freundin fahren..." Das wußte er also auch "...treffen wir uns und sie sagen mir einfach die ungefähre Anzahl. Es geht hier um Größenordnungen." Und was springt für mich dabei raus? "Mit welchem Film fotografieren sie am liebsten?" Ein besseres Angebot konnte kaum kommen. Der Kodak Tri-X-Pan war meine Wahl. Schließlich benutzten den alle Reporter und das war mein Traumberuf. "Wissen sie woher die US-Amerikaner den Film haben? Die Herren in Rochster haben das Rezept bei uns gekauft. Die Filmfabrik Wolfen hatte schon früh einen weltmarkttauglichen 27DIN-Film entwickelt.“ Dem Klassenfeind verkauft man aus lauter Güte ein Rezept für hochempfindliche Filme, die dann wohlmöglich in Spionage-Flugzeugen gegen einen Selbst eingesetzt werden. Für Westgeld, entschuldigung, Devisen machten die auch wirklich alles. Ich habe es nicht ausgesprochen und nur interessiert zugehört. "Also Information, gegen Filme." nickte Walter. "Abgemacht!" Mit dem befriedigendem Gedanken nun einen teuren Posten aus meinem kleinen Studenten-Etat streichen zu können lenkte ich meinen Mazda wieder in Richtung plommplomm plommplomm plommplomm plommplomm....
Der Funkturm kam in Sicht, jetzt war ich zu Hause, nur noch über den Stadtring nach Neukölln. Meine billige Butze in der Sonnenallee war kalt und es dauerte bis der Ofen das Zimmer wärmte.
Drei Monate waren seither vergangen. Mein kleines schwarzes Notizbuch enthielt ein Wirrwarr an Zahlen. Ich hatte mir eine Art Verschlüsselung ausgedacht, wie ich es in Agentenfilmen gesehen hatte. Schließlich war ich jetzt Spion. Auf Trenchcoat und Schlapphut verzichtete ich vorerst. Die Stopps in Michendorf, Ziesar, oder Irxleben waren zur Routine geworden. Wir trafen uns nie auf der gleichen Raststätte. Der Kaffee, die Zahlen, die Filme, immer der gleiche Ablauf. Man sei zufrieden, betonte Walter. Auch verschwiegen sei ich offensichtlich. Deshalb wolle er mich zu einem Ausflug einladen. In zwei Wochen am Schiffshebewerk Niederfinow. "Schreiben Sie in ihren Visumsantrag nur Bezirk Potsdam und als Besuchsgrund Tourist, das reicht. Erzählen sie ihren Verwandten in der Hauptstadt nichts davon." Meinen Fotoaparat solle ich nicht vergessen, Niederfinow sei sehr imposant. Hatte Walter keine Angst, dass ihn vielleicht heimlich knipsen würde. Egal, ich war gespannt auf den Ausflug.
Die Frühlingssonne strahlte, der Himmel einfach nur blau. Eigentlich ein Tag für Liebespaare, aber das gaben Walter und ich nun wirklich nicht her. Der Oder-Havel-Kanal lag etwas verträumt da. Irgendwie war die DDR nicht so hektisch wie das aufgedrehte Westberlin. In dieser etwas triesten Idylle erhob sich das Schiffshebewerk. 36m Höhenunterschied mußten die Kähne hier überwinden. Man das war so hoch wie das 12stöckige Haus in dem meine Eltern wohnten. Geduldig suchte Walter mit mir die besten Stellen zum fotografieren. Wahnsinn, jetzt kam auch noch ein großes Binnenschiff. Motive ohne Ende. "Sag' mal könntest du dir vorstellen mehr für uns zu tun?" Ich war noch etwas im Fotorausch und verstand nicht gleich. "Na ja, so was wie eine regelmäßige Mitarbeit." Und woraus soll die bestehen? "Das kann ich dir nicht sagen, aber ich könnte ein Treffen arrangieren."