Transit BRD (Teil 1)

plommplomm plommplomm plommplomm plomm plommplomm plommplomm plommplomm Der gleichmäßige Rythmus der Reifen auf den Betonplatten der Autobahn war einschläfernd. Das Tempo mit "nur" 100 auch. Dunkel wie im Sack, selbst im Fernlicht blieb es schwarz vor mir. Der Regen prasselte. Nur die im Scheinwerferlicht gelb und blau leuchtenden Schilder boten einigermassen Orientierung. "Transit Westberlin-BRD" Dieses hier mit dem Zusatz "letzte Ausfahrt für DDR-Kfz." Wie mußte sich das anfühlen hier nicht in den Westen fahren zu können, sondern gezwungenermassen die Autobahn an dieser Stelle zu verlassen. Na ja, auf die Grenze zu zufahren fühlte sich heute auch nicht besser an. Ich hatte mich eigentlich an die Geschwindigkeit gehalten, schmuggelte auch keine DDR-Bürger ausser Landes, hatte nur am Intershop kurz gehalten und mich mit einer Stange Malboro versorgt. Dieser Typ der mich dort mit meinem Namen ansprach ging mir nicht aus dem Kopf. Ich kannte ihn nicht. Aber er wußte viel über mich. Ich könne es mir überlegen, hatte er gesagt und vieles würde für mich einfacher werden. Er wolle es mir beweisen, auf der Rückfahrt sollte ich mich dann entscheiden.
80, 60, 40, 20 runter vom Gas und bloß langsam fahren. "Abblendlicht ausschalten" machte ich auch ganz brav, wie es auf dem Schild stand. Immer dem Hinweis "Transit BRD" nach. Der Typ vom Zoll winkte mich vorbei. Weiter ging es durch das taghell erleuchtete Wirrwar aus Strichen, Linien und Hinweisen. Hier mußte man die Spur einfach verfehlen und sich verfahren, das war Absicht. Dann konnten sie einen wieder festhalten. Spur 6 und 7 waren heute für uns Westberliner offen. Mist, ich mußte doch die falsche erwischt haben. Der Typ in seinem tropfenden graugrünen Regencap vor mir ließ daran keinen Zweifel, deutet mir anzuhalten. Scheiße jetzt gibt es Stress, ich hatte es geahnt. Er ging nach rechts nahm eine dieser rotweißen Absperrpilonen beiseite und winkte mich heran. "Fohrn'se Spur zwonsisch." raunte er durch das einen Spalt geöffnete Fenster. OK, die war ganz aussen, jetzt würden sie wohl das Auto komplett auseinander nehmen. Spur 20 war menschenleer. Nur das Licht in der Kontrollkabine brannte. Weiterfahrt auf Handzeichen. Ich stoppte. Der Grenzer kam aus seiner Kabine, das verhieß nichts gutes, und winkte mich heran, langsam rollte ich vor und kurbelte die Seitenscheibe ganz herunter. "Guten Morgen, Herr Correll!" Ich zuckte zusammen, ich hatte ihm nicht mal meinen Ausweis gegeben. "Den brauche ich nicht, geben sie mir einfach das Visum. Danke und Gute Fahrt!" Mein Gesicht mußte völlig verdutzt und auch ängstlich ausgesehen haben. Was trieben die hier mit mir. "Na, nu' fahrn sie schon, wir tun ihnen ja nichts." Zörgerlich nickte ich und fuhr weiter durch die leeren Sperranlagen zurück auf die Autobahn. Langsam plommplomm plommplomm plommplomm plommplomm ... Nach einer Weile war es ruhig, Asphaltbelag ich war im Westen, endlich draussen. Rechts stauten sich die LKW, links für die PKW heute keine Kontrolle. A2 Richtung Braunschweig Hannover und das Gaspedal ganz durchdrücken....
Zwei Wochen hatten wir uns nicht gesehen. Martina, meine Freundin in Duisburg strahlte bis über beide Ohren. "Ich gehe nach Lemgo auf die Bibelschule!" Das Wochenende war hin! Wir stritten die meiste Zeit. Ich war nur genervt. Warum nicht in Berlin, warum nicht was Soziales? Sie wollte sich doch für Menschen engagieren. Die wären theologisch so toll dort und man könne was fürs Leben lernen. Die Regeln dieser sogenannten Bibelschule waren schlimmer wie im Knast, Kontrolle überall. "Da kannste auch gleich in die DDR ziehen! Ach, nee die sind ja nicht fromm genug." Ich weiß bis heute nicht warum ich damals nicht Schluß gemacht habe. Mit Jura-Studium und ständig jobben um die Wochenenden bei ihr zu finanzieren war mein Leben ziemlich ausgefüllt. Auch das ich einen Tag länger blieb brachte uns nicht weiter. Also wieder rauf auf die Autobahn. Inzwischen war in mir die Abenteuerlust gereift. Wenn der Typ wieder am Intershop wartete wollte ich es wagen. Die Grenzkontrolle war so normal wie das plommplomm. Michendorf die letzte Intertank mit Shop vor Berlin. Noch mal für 99 Pfennige den Liter Super verbleit tanken. Mein alter rostiger großer Mazda hatte mächtig Durst. 12l auf der Bahn, 14l in der Stadt. Die Intertank hatte noch Service, der Wagen wurde betankt, nix Selbstbedienung. Und weiter zum Shop. Klar noch 'ne Stange Malboro. "Herr Correll, ich habe sie schon erwartet."