Poloshirts und karierte Hemden

Es war einer dieser Morgene an dem die Poloshirts Innentaschen haben und die Marmeladenseite des Toasts auf dem Küchenfußboden verschwindet, der Kontoauszug, die Kündigung und die Rechnungen gleichzeitig im Briefkasten liegen, das Wasser vor dem Duschen wegen Wartungsarbeiten abgestellt wird, sich das WLAN verabschiedet und das Handy streikt. Ja, gut, ich gebe zu das ist etwas übertrieben, die Kündigung lag nicht im Kasten, konnte auch nicht, ich hatte sowieso keinen Job. Aber um den sollte es gehen, heute beim Vorstellungsgespräch. Wie erwartet fuhr mir der Bus vor der Nase weg, nicht ohne mich noch mit etwas Pfützenwasser in dunkelgrau zu beglücken. Gott sei Dank hatte ich den hellen Mantel an, einen anderen besaß ich auch nicht. Immerhin hatte ich vorsorglich in der Hosentasche noch drei Taschentücher mitgewaschen. Notdürftig ließen sich die Spritzer entfernen, der strömende Regen würde vielleicht den Rest tun. Die Nässe kam nicht nur von oben, auch meine Socken saugten literweise Feuchtes. Achtzig Euro hatten die Schuhe gekostet, aber nach einem halben Jahr im Dauereinsatz machten sie einen auf meilenweit und Camel. Wie ich mich fühlte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Gut, dass ich inzwischen Single war, so konnte ich mir wenigstens den Streit um Hemd und Kulturstrick sparen. Polo-Hemd, inzwischen ohne Innentasche, war bürgerlich genug. Ich hasste nicht nur solche Tage, ich hasste dieses ganze Brimborium. Schön verstellen, nett lächeln und alles über mich ergehen lassen, in der Hoffung auf ein paar Euro und endlich weg von den Deppen hinter ihren grauen Schreibtischen. Im ersten Moment dachte ich, ich sei hier falsch, sah aus wie im Jobcenter, aber der Typ hinter dem Schreibtisch trug kein kariertes Hemd, sondern hellblau, musste also hier wohl richtig sein. Die weltgewandte Erfahrung eines Menschen, der jeden Tag das Gleiche an der gleichen Stelle tat, dessen weitester Horizont der Sangria-Eimer am Ballermann war, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Der angebotene Kaffee schmeckte als ob er schon drei Tage auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine stand, ihre Glaskanne schien dies zu bejaen. Nach seinem auswendig aufgesagtem Erguss über die moderne, innovative, nachhaltige Firmenkultur und ohne "im Mittelpunkt steht der Mensch" zu vergessen - Mist, die uralten Kekse auf dem Tisch waren alle, schmeckten in Kaffee gestippt gar nicht so schlecht - streckte er mir freudestrahlend die Hand entgegen "Willkommen im Team!" Die mir im Anschluss vorgestellte Team-Leiterin hatte auch schon bessere Tage gesehen, zumindest bevor sie hier angefangen haben musste. Zunächst würde ich Lehrgänge und Praktika parallel machen, dann würde ich die ersten Kunden bekommen. Den Kaffee und die Maschine würde das Amt stellen, nur ein paar karierte Hemden sollte ich mir noch unbedingt zulegen.